Geräuschlose „Hawk-Eye-Premiere“ in Berlin / Zwei knifflige Strafraumszenen für Felix Brych und sein Team
Die Tore im DFB-Pokalfinale am Sonnabendabend im Berliner Olympiastadion beim hochverdienten 3:1 des VfL Wolfsburg gegen Borussia Dortmund fallen eindeutig, das Unparteiischen-Quartett benötigt die technische Unterstützung nicht. Und trotz zweier kniffliger Szenen behalten Schiedsrichter, Assistenten und Vierter Offizieller das nicht einfach zu leitende Endspiel jederzeit im Griff.
In der 44. Minute grätscht Wolfsburgs Ricardo Rodriguez im Strafraum gegen Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang, der den Ball über den Kasten von VfL-Keeper Diego Benaglio drischt. Erst mit der dritten Zeitlupe, einer Hintertorkamera, wird klar, dass die Grätsche Richtung Ball den Gegenspieler trifft. Zudem ist die Kugel – ein wichtiger Aspekt – zum Zeitpunkt des Kontakts noch nicht im Toraus (dann wäre der Abstoß auf jeden Fall die korrekte Spielfortsetzung gewesen), sondern gerade noch im Spiel.
Mit der Perspektive eher von hinten auf die Szene wird indes kaum ein Schiedsrichter den Strafstoß geben, und das aus zwei Gründen: Zunächst sieht es im normalen, schnellen Ablauf der Situation eher so aus, als gelte der Beineinsatz dem runden Leder, das dann vom Dortmunder über das Tor ins Aus prallt. Jeder, der schon mal als Unparteiischer auf dem Platz gestanden hat, weiß, wie diese Szenen in realer Geschwindigkeit wirken. Und zum Zweiten hat Felix Brych (München) diese dritte Rückblende nicht.
Dies erkennt auch der gewohnt sachkundige und sehr faire ARD-Reporter Tom Bartels (Celle), der in seiner Kommentierung nicht nur den Dortmunder Torwart Mitch Langerak bei zwei Gegentoren in Schutz nimmt, sondern auch mehrfach darauf hinweist, dass der Schiedsrichter ohne Zeitlupe in Sekundenbruchteilen entscheiden muss. Regeltechnisch interessanter ist die 50. Minute im Wolfsburger Strafraum: Wolfsburgs Vieirinha stößt Dortmunds Marco Reus, der gerade eine Flanke von Erik Durm auf den VfL-Kasten köpfen will, mit dem linken Arm kurz in den Rücken. Reus kommt dadurch aus dem Tritt.
Für die Beurteilung, ob Foul oder nicht, spielt es keine Rolle, wo das Stoßen geschieht (ob im Strafraum oder draußen) und wie heftig es passiert. Eine leichte Berührung kann einen Stürmer um den Bruchteil der Sekunde bringen, die er für die Ballkontrolle benötigt. Die Regel 12 (Verbotenes Spiel und unsportliches Betragen) notiert keinen Unterschied, ob ein Stoßen innerhalb oder außerhalb des 16,50-Meter-Raumes begangen wird. Und es ist dort auch nirgendwo von „Reicht nicht für einen Strafstoß“ zu lesen – eine solche Argumentation sieht das Fußball-Regelwerk nicht vor.
All diese Szenen sind trotzdem keine guten Gründe für einen Videobeweis, der den Fußballsport zerfasern und durch die elenden Spielunterbrechungen unattraktiv machen würde. Das „Hawk-Eye“, das am Sonnabend nicht aktiv werden musste, das hätte im Übrigen Schiedsrichter Florian Meyer (Burgdorf) gern vor einem Jahr beim Pokalfinale 2014 zwischen Bayern und Dortmund (2:0) gehabt (siehe Pfiff der Woche vom 18. Mai 2014). Meyer, der am vergangenen Freitag das umkämpfte erste Relegationsspiel zwischen Holstein Kiel und dem TSV 1860 München (0:0) sehr gut über die Bühne brachte, entschied damals genau im Sinne des Regelwerks: Im Zweifel kein Tor.
Der Pfiff der Woche ist ein Beitrag von Marco Haase in der az-online.