„Es ist zwar ein Anfang, aber vielleicht gibt es noch mehrere Schiedsrichter, die jetzt wieder in den Spielbetrieb einsteigen möchten?“ Mit dieser Frage beschäftigt sich Marcin Kuczera, Schiedsrichterobmann des NFV-Kreises Hildesheim. Nach einem Aufruf zur Reaktivierung ehemaliger Schiedsrichter durch einen Online-Lehrgang hatten sich 13 Unparteiische gemeldet, die vor Jahren für Ordnung auf den Plätzen sorgten.
Aus den unterschiedlichsten Gründen hatten diese ihre Schiedsrichterpfeife an den berühmten Nagel gehängt. Leider mussten sich vier Teilnehmer vor dem Start der Schulung aus beruflichen Gründen abmelden. „Für den nächsten Online-Lehrgang erhalten sie auf jeden Fall wieder eine Einladung“, versicherte Kuczera.
„Wir müssen jede Gelegenheit nutzen dem Schiedsrichterschwund entgegenzuwirken, auch ältere Schiris wieder in den normalen Fußballalltag einzubinden“, sagte er. Im Schiedsrichterausschuss wurde die Idee einer Reaktivierungsmaßnahme voll unterstützt. Zurzeit sind 270 Unparteiische auf den Plätzen unterwegs. Aus ihren Erfahrungen bei den Spielleitungen können die Wiedereinsteiger auf jeden Fall zurückblicken. Bei dem Online-Lehrgang wurde ihnen das aktuelle Regelwerk vermittelt. Seit Jahren beklagt der Schiedsrichterausschuss die rückläufige Zahl der Unparteiischen, ein schleichender Prozess. Sogar die Ansetzungen für die 3. + 4. Kreisklasse mussten gestrichen werden. In vielen Anwärter-Lehrgängen wurde die Ausbildung neuer Schiedsrichter immer wieder vorangetrieben. Doch die Teilnehmerzahlen waren zu gering, die Schulungen mussten abgesagt werden.
„Das ist nicht nur im Hildesheimer Fußballkreis so. Viele Kreise haben mit dieser Misere zu kämpfen. Eigentlich gibt es immer zu wenig Schiedsrichter, das ist seit Jahren so“, bestätigt der Kreisvorsitzende Detlef Winter. „Es ist scheinbar ein gesellschaftliches Problem und hat sicherlich auch mit der Zahl ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun, die seit Jahren rückläufig ist. In vielen Vereinen herrscht schon ein großer Mangel an Ehrenamtlichen“, weiß der Spitzenfunktionär.
Wie alle Fußballer hoffen auch die neun „Wiedereinsteiger“ dass es nach der Corona-Pandemie bald wieder los geht. Sie sind wieder dabei und freuen sich auf ihre ersten Ansetzungen. Nachfolgend geben die reaktivierten Schiedsrichter ihre Kommentare ab.
Stefan Bohnenpoll (VfB Oedelum):
„In Oedelum waren wir oft von fehlenden Schiedsrichtern betroffen. Da lag es für mich auf der Hand das Angebot zu nutzen. Mit dem Lehrgang hat der Kreisschiedsrichterausschuss eine unkomplizierte Möglichkeit für den Wiedereinstieg geschaffen“.
Luca Ernst (SV Dinklar):
„Ich habe die Mitteilung über den Online-Lehrgang im Internet gesehen und entschieden, dass ich mitmachen werde. Aufgrund des Schiedsrichtermangels habe ich mich für die Teilnahme am Lehrgang entschieden, da ich hoffe so einen kleinen Beitrag leisten zu können, damit die Spiele von angesetzten Schiedsrichtern geleitet werden können und somit weniger Mannschaftsbetreuer (oder andere Personen) als Unparteiische einspringen müssen. Ich freue mich auf die ersten Spiele“.
Marius Hesse (MTV Almstedt):
„Ich habe schon des Öfteren nachgedacht, als Schiedsrichter auf den Fußballplatz zurückzukehren. Allerdings war die Lust nicht vorhanden, noch einmal einen kompletten Anwärterlehrgang zu absolvieren. Der NFV-Kreis Hildesheim hat mit diesem Angebot genau das richtige für Ex-Schiedsrichter geschaffen. Leider gehen heutzutage viel zu viele Schiedsrichter verloren, weshalb ein immer größerer Mangel entsteht. Dem möchte ich so entgegenwirken und auch Nachwuchsschiedsrichtern zeigen, dass die „Pfeifferei“ etwas Gutes mit sich bringt. Es ist schon interessant, den Sport Fußball von der anderen Seite kennenzulernen und Entscheidungen zu treffen. Ich selbst als Fußballer will mich gar nicht herausnehmen, man ist als Spieler mit dem Schiedsrichter oft einer anderen Meinung. Allerdings sollte nach den 90 Minuten das Ganze vergessen sein und fair miteinander umgehen.“
Christian Schwarzbach (TSV Marienhagen):
„Da ich meine Trainertätigkeit nach sieben Jahren beendet habe und kein neues Engagement annehmen möchte, habe ich mich an 20 schöne Jahre als aktiver Schiedsrichter und sieben Jahre Ausschussarbeit erinnert. Durch die Möglichkeit eines Abendlehrgangs des NFV-Kreises Hildesheim wieder aktiviert zu werden, habe ich mich entschieden an diesem Lehrgang teilzunehmen. Ein paar Jährchen würde ich gerne aktiv mitgestalten, da es ja leider viel zu wenige Schiedsrichter gibt. Gerne auch an der Seite von jüngeren Schiedsrichtern, um die eigenen Erfahrungen weiterzugeben und deren Entwicklung zu unterstützen“.
Dimitri Tschapala (VfB Oedelum):
„Da ich leider aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bei der 1. Herrenmannschaft mitspielen kann, aber trotzdem sportlich beim Fußball weiter aktiv sein wollte, habe ich mir überlegt wieder als Schiedsrichter aktiv zu werden. Ich habe ein paar Jugendspiele vor Corona gepfiffen und dabei wieder Blut geleckt“.
Dennis Martin (SV Newroz Hildesheim):
„Ich habe schon länger überlegt wieder mit dem Pfeifen anzufangen. Da kam mir der Lehrgang super gelegen. Ich denke, wenn man einmal Schiedsrichter war, bleibt man es auch irgendwie und guckt sich die Spiele automatisch aus einer anderen Perspektive an. Vielen Dank für diese schnelle Möglichkeit“.
Florian Preussner (VfR Ochtersum):
„Ich fand das Angebot für ehemalige Schiedsrichter sehr interessant und hatte mich deshalb gleich angemeldet. Einen kompletten Lehrgang hätte ich wohl nicht gemacht. Während der letzten vier Spielzeiten als Co-Trainer hatte ich natürlich keine Zeit mehr für den SR-Job nebenbei. Da wir für die neue Saison einen neuen Co-Trainer engagieren konnten habe ich jetzt wieder mehr Zeit und werde deshalb wieder langsam u. a. in die Schiedsrichterei einsteigen“.
Uwe Lüdtke (TSV Warzen):
„Meine Gründe wieder zu pfeifen, bestehen hauptsächlich darin das meine Kinder sind jetzt groß sind, und da ist wieder mehr Zeit für Hobbys und Leidenschaft. Die Spielleitungen und die Gemeinschaft mit Spielern und Verantwortlichen sowie den Schiri-Kollegen hat mir immer viel Freude bereitet. Außerdem möchte ich nach einem Umzug meine neuen Nachbarn mit dem Amt unterstützen“.
Timo Sudholt (SV Groß Düngen):
„Ich habe mich als Schiedsrichter reaktivieren lassen, weil ich es sehr erschreckend finde, wie sich die Zahl der Unparteiischen in den letzten Jahren entwickelt hat. Besonders in den unteren Ligen und in der Jugend ist es jede Woche ein Glücksspiel, ob ein Schiedsrichter anreist, so dass sich die Vereine bereits im Vorfeld Gedanken machen müssen, wer im Zweifel einspringt. Leider musste ich vor zwei Jahren aus zeitlichen Gründen das Pfeifen aufgeben, obwohl ich daran sehr viel Spaß hatte. Als ich von dem Angebot hörte sich reaktivieren zu lassen, musste ich nicht lange zögern, denn für mich gehört der Schiedsrichter genauso zum Fußball wie die Spieler“.
Marcin Kuczera, Kreisschiedsrichterobmann:
„Die Corona-Pandemie neigt sich hoffentlich bald dem Ende entgegen und es kann wieder auf die Plätze gehen. Eins hat sich aber während der Pandemie nicht geändert; wir haben leider nicht genügend Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter. In Absprache mit dem Vorstand des NFV-Kreis Hildesheim konnte der Kreisschiedsrichterausschuss nun ein einen Online-Lehrgang anbieten, der allen ehemaligen Unparteiischen offenstand. Diese wurden an einem Abend regeltechnisch geschult, damit sie wieder als Aktive gelten und sofort eingesetzt werden können. Es bedarf keiner eigenen Prüfung, die Teilnahme war aber selbstverständlich zwingend notwendig. Unsere Hoffnung, dass wir so einige neue Altschiedsrichter zurückgewinnen konnten, hat sich erfüllt“. (bn)
Text: Burghard Neumann
Foto/ Fotomontage: mrl